
Warum flehmt mein Pferd? – Das steckt wirklich dahinter
Vielleicht hast Du es schon einmal gesehen: Dein Pferd hebt den Kopf, zieht die Oberlippe nach oben, kräuselt sie und bleibt für ein paar Sekunden in dieser merkwürdigen Pose. Es sieht fast aus, als würde es breit grinsen – oder sogar lachen. Und genau das glauben viele Menschen auch. Doch was nach einem lustigen Moment aussieht, ist in Wirklichkeit ein hochinteressantes Verhalten mit tieferem Sinn.
Flehmen – lacht mein Pferd wirklich?
Der Mythos hält sich hartnäckig: Pferde würden beim Flehmen lachen. Das liegt sicher daran, dass der Gesichtsausdruck dabei sehr menschlich wirkt. Doch die Wahrheit ist: Dein Pferd lacht nicht – es riecht. Genauer gesagt: Es analysiert einen bestimmten Geruch besonders intensiv.
Hinter diesem Verhalten steckt das sogenannte Jacobsonsche Organ (auch Vomeronasales Organ genannt). Es befindet sich im Gaumenbereich und ist über die Maulhöhle mit der Außenwelt verbunden. Wenn Dein Pferd die Oberlippe hebt und die Nüstern leicht schließt, leitet es Duftstoffe in dieses Organ. Dort werden sie wie bei einer "chemischen Analyse" aufgeschlüsselt – das Pferd kann so feinste Informationen aus Gerüchen herauslesen.
Wann und warum flehmen Pferde?
Flehmen ist ein ganz normales Verhalten und kommt in vielen Situationen vor:
Bei neuen oder intensiven Gerüchen – etwa bei unbekanntem Futter, Parfüm oder Einstreu.
Wenn Stuten rossig sind – Hengste und auch manche Wallache flehmen dann besonders oft, um den Hormonstatus der Stute zu „prüfen“.
Aus Neugier – junge Pferde entdecken viele Reize in ihrer Umwelt auf diese Weise.
Zur emotionalen Verarbeitung – etwa nach Stress, Aufregung oder ungewohnten Situationen.
Nach dem Fressen – insbesondere bei stark aromatischen Kräutern oder Leckerlis.
Doch es gibt auch eine andere, weniger harmlose Seite des Flehmens – und auf die solltest Du als Pferdebesitzer unbedingt achten.
Flehmen kann auch ein Warnsignal sein
So faszinierend und normal Flehmen sein kann, so wichtig ist es auch zu erkennen, wann es auf ein Problem hindeutet. In bestimmten Situationen kann Flehmen ein Zeichen für körperliche Schmerzen oder Unwohlsein sein – zum Beispiel bei:
Magen-Darm-Beschwerden oder beginnender Kolik
Viele Pferde flehmen, wenn sie im Bauch Schmerzen spüren – oft in Verbindung mit Unruhe, Scharren, Wälzen oder Appetitlosigkeit.Harnwegs- oder Nierenschmerzen
Auch bei Problemen mit dem Harntrakt kann Flehmen als Reaktion auf die inneren Beschwerden auftreten.Schmerzen im Maul- oder Zahnbereich
Wenn das Pferd beim Kauen Schmerzen hat oder Probleme mit den Zähnen bestehen, kann es ebenfalls zu Flehmen kommen.
Wichtig ist: Flehmen allein ist noch kein eindeutiges Alarmsignal. Es kommt auf den Gesamteindruck und die Begleitumstände an. Wenn das Verhalten plötzlich gehäuft auftritt, ungewöhnlich lange dauert oder zusammen mit anderen Symptomen wie Schwitzen, Unruhe oder Futterverweigerung vorkommt – dann solltest Du unbedingt einen Tierarzt zu Rate ziehen.
Fazit: Zwischen Neugier und Schmerz
Flehmen ist weit mehr als ein lustiger Gesichtsausdruck – es ist ein wichtiges Ausdrucksverhalten Deines Pferdes. Mal zeigt es Neugier, mal soziale Kommunikation – aber manchmal eben auch Schmerz. Als Pferdebesitzer ist es Deine Aufgabe, genau hinzuschauen und zu unterscheiden, ob Dein Pferd einfach nur seine Umwelt "beschnuppert" – oder ob es Dir etwas sagen will.
Also: Wenn Dein Pferd das nächste Mal scheinbar lacht, nimm es als Einladung, genauer hinzusehen. Denn hinter dieser Mimik verbirgt sich ein kleines Wunder der Natur – und manchmal auch ein stiller Hilferuf.